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„Virtueller Hinduismus“ – Online-Rituale auf kommerziellen Puja-Websites

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Banner für den Kurs Hinduistische Tradtionen und Gottheiten in Literatur und Medien im WS 2011/12

von Christoph Rahn

In the digital age of which we are currently a part, usage of the Internet and World Wide Web has become a central part of people‘s daily lives. Not only are people engaging in activities such as online banking, shopping, dating, and attending college, but now people can also participate in religious ritual by means of the Internet. (Karapanagiotis, Nicole: Vaishnava Cyber-PŪJĀ, S. 179)

Mit Beginn der kommerziellen Phase des Internets (Anfang der 1990er Jahre) eröffneten sich auch für die privaten NutzerInnen unterschiedlichste Möglichkeiten und vielfältigste Angebote im World Wide Web. Beschränkten sich diese in der Anfangszeit vor allem auf die Kommunikation per E-Mail oder die Selbstdarstellung von Firmen oder Privatpersonen, so gewannen im Zuge der New Economy zum Ende des letzten Jahrtausends auch die „Online-Dienstleistungen“ immer mehr an Bedeutung. Bis zum heutigen Tag bot sich den Konsumenten eine immer größere Auswahl verschiedenster Angebote in der virtuellen Welt: so integrieren wir Online-Banking, Online-Shopping, Online-Dating oder das Online-Studium seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten bedenkenlos in unseren Alltag.

Wie weit diese Entwicklung bereits fortgeschritten und in welche gesellschaftlichen Bereiche sie mittlerweile vorgedrungen ist, zeigt die jüngste Vergangenheit. Wurden bis dato größtenteils die materiellen Bedürfnisse der NutzerInnen befriedigt, so beweist das Auftauchen sog. „Puja-Ordering Websites“, dass mittlerweile auch immaterielle Bedürfnisse bedient werden können. In diesem Falle ist es dem Kunden möglich, eines der wichtigsten Bestandteile des religiösen Alltags im Hinduismus, die Puja, im Internet zu bestellen. Was zunächst einfach und vielversprechend klingt, bringt allerdings auch eine Reihe von Problemen mit sich, wie der schottische Soziologe Heinz Scheifinger kürzlich feststellte. In seiner Fallstudie „Internet Threats to Hindu Authority: Puja-ordering Websites and the Kalighat temple“ untersuchte er den gesamten Ablauf des Puja-Orderings via Internet am Beispiel des Kalighat-Tempels in Kolkata. Seine spannenden doch zugleich auch bedenklichen Erkenntnisse seien hier in Kürze geschildert…

Die traditionelle Puja und ihr Ablauf

Um sich dem von Scheifinger untersuchten Phänomen der „Puja-Ordering Websites“ anzunähern, ist es zunächst notwendig, den Begriff der Puja (Sanskrit: pūjā) selbst zu umreissen. Am ehesten entspricht ihr im Deutschen die Bedeutung „Verehrung“ (es ist teilweise auch die Übersetzung „Gottesdienst“ zu finden). Im Gegensatz zum vedischen Ritual, welches ausschließlich den Brahmanen vorbehalten war, kann die Puja von jedem gläubigen Hindu und in jeder rituell gereinigten Umgebung praktiziert werden. D. h. sie kann sowohl von „religiösen Spezialisten“ (den pūjāris) im Tempel praktiziert werden, ebenso aber auch von „religiösen Laien“ im eigenen Haus. Auch die Adressaten erscheinen äußerst vielfältig. So kann die Puja einerseits allen Mitgliedern des hinduistischen Pantheons gewidmet werden, sprich allen Göttern und ihren avataras. Ebenso können sie aber auch jedem anderen als verehrungswürdig angesehenen Lebewesen und Gegenstand dargebracht werden. Der Ablauf ist dabei nicht als in sich abgeschlossener Prozess eines christlichen „Gottesdienstes“ oder einer „Andacht“ zu betrachten, sondern vielmehr als sensitives und spannungsreiches Erlebnis auf mehreren Sinnesebenen.

Nach einer zwingend notwendigen Einleitung (bestehend aus körperlicher bzw. ritueller Reinigung und einer vorgetragenen Absichtserklärung gegenüber der Gottheit) folgen einzelne rituelle Schritte. Hier haben sich vor allem zwei Formen etabliert: die Puja der 16 Stufen (sodaśopacāra) und die davon abgewandelte, verkürzte Puja der 5 Stufen (pancopacāra). Die darzubringenden Opfergaben sind von Gottheit zu Gottheit verschieden, allerdings erhoffen sich die Gläubigen durch die Verwendung von Lieblingsnaturalien der jeweiligen Gottheit einen größeren Erfolg des Rituals und einen größeren religiösen Verdienst (vgl. Zeiler, S. 45ff.).

Puja-ordering Websites

Seit mehreren Jahren ermöglichen es zahlreiche Websites, die Puja auch online zu buchen. Auf allen Seiten, die den Service anbieten, folgt der Kunde immer dem gleichen Schema: zunächst erfolgt die Auswahl der gewünschten Pujaform, dann die Auswahl des Tempels und zuletzt die Bezahlung der Puja. Im Anschluss an den Bestellvorgang, beauftragt der Anbieter der Website einen religiösen Spezialisten für die Ausführung der Puja im Namen des Kunden im gewünschten Tempel. Dabei erscheinen die Angebote der Seiten unerschöpflich. So bietet beispielsweise die Seite saranam.com die verschiedensten Pujas in den unterschiedlichsten Tempeln. Ob eine Puja für Wohlstand und Reichtum im Mahalakshmi-Tempel in Mumbai oder eine Puja für Gesundheit im Sankat Mochan-Tempel in Varanasi, den Gläubigen bietet sich eine breite Palette an Zeremonien.

Betrachtet man die unkomplizierte Handhabung und die vielfältige Auswahl der Websites, erscheint diese Art der Puja zunächst sinnvoll und praktisch. Schließlich können Hindus in der Diaspora oder solche ohne Zugang zu bestimmten Tempelanlagen den religiösen Akt der Puja beliebig vollziehen und so den Kontakt zum Göttlichen aufrechthalten. Wo es früher noch nötig war, selber den langen und beschwerlichen Weg in die Tempel zu suchen oder Verwandte die Puja im Tempel verrichten zulassen, bietet das Internet eine schnelle und kostengünstige Alternative. Doch so sehr diese (positiven) Aspekte die scheinbare Sinnhaftigkeit der Websites belegen, so negativ wirken sie in Anbetracht der problematischen Verhältnisse vor Ort…

Puja-Ordering: Das Fallbeispiel Kalighat-Tempel

Dass das Bestellen einer Puja im Internet nicht nur positive, sondern auch eine Reihe negativer Begleiterscheinungen mit sich bringt, verdeutlicht die im Jahre 2010 veröffentlichte Fallstudie Heinz Scheifingers. Am Beispiel des Kalighat-Tempels in Kolkata untersuchte er die Auswirkungen der bestellten Pujas auf die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen rund um den Tempel. Vor allem beschäftigte ihn das Verhältnis der Anbieter zu religiösen Autoritäten.

Der 1809 erbaute Kalighat-Tempel (benannt nach dem gleichnamigen Stadtteil in Kolkata) zählt zu den wichtigsten in Indien. Laut Mythologie ist Kalighat einer der zweiundfünfzig Shakti Pithas. Einer derjenigen Orte, an denen ein Teil des Leichnams der Göttin Sati herabviel, als ihr Ehemann Shiva zerstörerisch durch das Universum tanzte. Heutzutage ist er der Göttin Kali geweiht und für deren VerehrerInnen einer der wichtigsten Wallfahrtsorte auf dem indischen Subkontinent. Doch trotz der tiefreligiösen Bedeutung und den historisch geprägten Ritualvorstellungen hielt auch hier die Realität Einzug. Seiten wie makalipuja.com oder kalighat.net bieten den Gläubigen ein breites Spektrum an „Bestell-Pujas“ im Kalighat-Tempel und verweisen dabei stets auf ihre religiöse Motivation.

Der Kalighat-Tempel in Kolkatta

Der Kalighat-Tempel in Kolkatta [1]

So berichtet der Inhaber der Seite makalipuja.com, ein Mann namens Nabin Pal, die Seite anlässlich eines Traumes seiner Frau ins Leben gerufen zu haben. In diesem äußerte die Göttin Kali den Wunsch nach einer Puja, die speziell den Hindus in weit abgelegenden Gebieten die Verehrung in Kalighat ermöglichen soll. Neben dieser vermeintlich „religiösen Verbindung“ gibt es aber keine weiteren Berührungspunkte zwischen der Website und dem Tempel. Pal entscheidet völlig autonom und losgelöst jedweder Art von Rücksprache mit den Verantwortlichen vor Ort. Als Anbieter verfügt er selbst über die Auswahl seines Kundenkreises, über die Durchführung der Puja und über deren Preis. Ähnlich gestaltet sich die Situation auf anderen Seiten. Den Anbietern obliegt ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit. Und eben diese birgt erhebliches Konfliktpotential angesichts der lokalen Autoritäten!

Puja-Ordering: Bedrohung religiöser Autorität?

Those who have traditionally exercised authority are now being bypassed and that when it comes to the ordering of pujas online, it is the independent providers who are the ones exercising authority. (Scheifinger, Heinz: Internet Threats to Hindu Authority, S. 652)

Im Kalighat-Tempel sind seit dessen Einweihung ortsansässige Priester, die sevayats, für die Ausführung der Pujas zuständig. Zwar führen sie diese auch auch heute noch weitgehend eigenständig aus, doch unterstehen sie seit 1965 formal einer von der Kommunalverwaltung eingesetzten Tempeladministration. Diese ist seitdem hauptverantwortlich für die finanzielle und rituelle Reglementierung. Durch eine schleichende Machtverschiebung über Jahrzehnte hinweg, gerieten die Priester aber in immer größere soziale Not. Erhielten sie über die Jahre ohnehin keinerlei Löhne oder Aufwandsentschädigungen von der Tempelleitung, gestaltet sich ihre Lage angesichts der immer niedriger ausfallenden dakshinas (Spenden der Gläubigen) dramatisch.

Das Ende dieser Entwicklung skizziert Scheifinger trostlos: Ihre soziale Not degradiert die Tempeldiener zum Anbieter profaner Dienstleistungen. Sie tendieren zunehmend zu den profitablen Geschäften mit den Anbietern der „Bestell-Pujas“, anstatt den direkten Kontakt mit den „gewöhnlichen“ Gläubigen zu suchen und deren Bitten um Ausführung eines Puja-Rituals nachzukommen. Bedingt durch ihre (kommerziellen) Angebote, untergraben die Anbieter aus dem Internet somit die Autorität der Priester und Tempelleitung und entwickeln sich selbst zu einer religiösen Autorität. Dies wiederum hat zur Folge, dass sowohl die Motivation der Priester (dementsprechend auch die Qualität der Rituale) beeinflusst als auch das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen Priestern und Tempeladministration verschärft wird.

Puja-Ordering: Religion zwischen Profit und Moral

Die Fallstudie Scheifingers führt vor Augen, wie Einzelpersonen oder ganze Internetplattformen trotz religiöser Unkenntnis und ohne jegliche Verbindung zu lokalen Entscheidungsträgern, wesentliche Aspekte der Puja kontrollieren können. Auch ohne religiösen Status ist es ihnen möglich, Einfluss zu nehmen. Zudem entlarven sich ihre religiös motivierten Angebote als ernste Bedrohung der religiösen Autoritäten vor Ort. Sie nutzen nicht nur das wichtigste Medium zwischen Gläubigen und Gottheit (die sevayats) aus, sondern untergraben auch die Regeln der Tempeladministration und deren Vertrauen in die Priesterschaft. Hier lauert mithin auch die größte Gefahr: durch die Intransparenz des Internets ist es den Verantwortlichen kaum möglich zu handeln. Zwar vollzieht sich der Akt der Puja weiterhin in gewohnter Umgebung, doch zeigt er sich durch die Nutzung der Internet-Angebote seiner ursprünglichen Art entkleidet.

Eine Entschärfung der Lage erscheint Scheifinger dennoch nicht unmöglich! Dieses setze aber nicht nur die Kompromissbereitschaft aller Beteiligten voraus, sondern auch eine Neubewertung der Situation vor Ort. Wenn sich die Parteien einander nähern und ihre Standpunkte überdenken würden, könnten sie selber Angebote gestalten und gemeinsam von den Möglichkeiten einer stärkeren Online-Nutzung profitieren. Denn über kurz oder lang, dass zeigt die Fallstudie Scheifingers deutlich, führt an einer (zumindest schrittweisen) Öffnung gegenüber den „modernen Bedürfnissen“ der Gläubigen kein Weg vorbei.

Quellen

  • Karapanagiotis, Nicole: Vaishnava Cyber-PŪJĀ. Problems of Purity & Novel Ritual Solutions, in: Heidbrink, Simone; Miczek, Nadja (Hrsg.): Online – Heidelberg Journal of Religions on the Internet, 4, 1, 2010, S. 179-195.
  • Scheifinger, Heinz: Internet Threats to Hindu Authority: Puja-ordering Websites and the Kalighat Temple, in: Asian Journal of Social Science, 38, 2010, S. 636–656.
  • Zeiler, Xenia: Puja und darśana der Tempelbesucher – Ritualhandlungen der „religiösen Laien“, in: Eichner, Katja; Schied, Michael (Hrsg.): Hinduismus – eine nicht organisierte Religion? Analysen und Kontroversen, Berlin 2007, S. 43-49.

[1] Sankarrukku, View of Kalighat Kali temple (Kalighat temple.jpg) 14. Oktober 2010, online in: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kalighat_temple.jpg?uselang=de, letztes Zugriffsdatum: 13.11.2013.


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